Faszination Fiat 500

Fiat 500 auf einem Treffen in Klein MarzehnsWenn ein Auto mehr als nur Mittel zum Zweck ist, wenn man sich für die Form, technische Lösungen, aber auch den Zeitgeist, den es verströmt, begeistert, dann ist wohl der Begriff ‚Faszination’ angebracht. Der Fiat 500 ist ein faszinierendes Auto. Er hat es fertig gebracht, eine klassenlose Fangemeinde um sich zu scharen. Das war schon zu Lebzeiten so, und das ist auch jetzt, über 50 Jahre nach seiner Vorstellung, immer noch ungebrochen. Ein Kleinwagen, dem der Azubi genauso verfallen ist, wie der Hochschulprofessor, muss etwas Fesselndes haben. Den Vätern dieses Autos ist es gelungen, eine Mixtur zusammenzustellen, die mit ausgewogenen Zutaten nicht ein Opfer einer sich rasant entwickelnden Epoche, des Wirtschaftswunders, geworden ist, sondern sich zu einem zeitlosen Objekt, man kann getrost Kultobjekt sagen, geworden ist.

Kurzinfo

Fiat 500 Treffen an einem Straßenbahndepot in BremenAller Anfang ist schwer. So auch für den 1957 jüngsten Spross des italienischen Autoherstellers – den Fiat 500. Nachdem zwei Jahre zuvor der Fiat 600 als direkter Nachfolger des großartigen Topolino (der offiziell auch schon Fiat 500 hieß) außerordentlich erfolgreich ins Rennen um die Käufergunst geschickt wurde, kam der 500er im Sommer ´57 als äußerst spartanisch ausgestatteter Kleinwagen daher. Nicht mal Kurbelfenster hatte man ihm gegönnt. Aber immerhin war der 13-PS-Drosselmotor ein Viertakter, der sich somit durch sein sonores Brummen wohltuend von seinen heulenden Zweitaktkollegen unterschied, wenn er seine Fahrleistungen betreffend auch nicht unbedingt die Nase vorn hatte.

Vielen war der Schritt von der Vespa hin zum ersten richtigen Auto dennoch zu groß; diejenigen, mit denen es das Wirtschaftswunder gut gemeint hatte, griffen lieber gleich zum größeren 600er, der auch vier vollwertige Sitzplätze bot, während der kleinste Fiat allenfalls Kindern auf der dünn gepolsterten Rücksitzbank genügend Platz bot.

Ein Standard-N (1958) und zwei Ds (1964), beide auf langes Faltdach umgebaut.Schon schnell begriff man bei Fiat, dass sich ihr kleinster ebenso gut als Zweitwagen an den Mann, oder viel besser an die Frau bringen ließ. Bereits zum Jahreswechsel 57/58 wurde daher eine mit Zierleisten, Kurbelfenstern und einer serienmäßigen Heizung ausgestattete „Luxus“ genannte Version lanciert. Auch der Motor leistete nun 2 PS mehr. Neben verschiedenen Kinderkrankheiten wurde auch das zunächst lange, bis zur Motorhaube hinab reichende Faltdach um die Hälfte gekürzt, da doch vielen Kunden der Luftzug entweder die Frisur zerstörte oder sie zu sehr an ihre Moped-Zeit erinnert wurden. Von diesen Verkehrsteilnehmern wollte man sich mit seinem vierrädrigen Untersatz schließlich wohltuend absetzen!

Gerade diese Versionen mit dem langen Faltdach zählen heute zu den gesuchtesten Varianten und sind besonders selten. Schließlich erging es dem Fiat 500 als typisches „Brot-und-Butter“-Auto wie vielen seiner Artgenossen vom Schlage eines VW Käfers, Lloyd Alexander oder Citroёns Ente, dass sein letzter Weg meistens auf den Autofriedhof führte und im Gegensatz zu vielen glamourösen Sportwagen nicht über die Jahre gerettet wurde.

Fiat 500 F - noch heute alltagstauglichSieht man heute einen Fiat 500 im Straßenverkehr, so handelt es sich meistens um einen Vertreter der Blütejahre – den späten sechziger Jahren. Inzwischen gingen die Türen nun „richtig herum“ auf, da die hinten angeschlagenen, sogenannten „Selbstmördertüren“ in den meisten Exportmärkten außerhalb Italiens inzwischen für Neufahrzeuge nicht mehr zulässig waren. Der ab 1965 auf 18 PS erstarkte Motor erlaubte nun angemessenes Mitschwimmen im Straßenverkehr. Nicht wenige Kraftfahrer „normaler“ Autos wunderten sich auf so mancher kurvigen Landstraße, dass sie den Anschluss an den kleinen Fiat vor ihnen zu verlieren drohten. War der 500er doch mit einem für seine Größe exzellenten Fahrwerk mit Einzelradaufhängung gesegnet, das viele zeitgenössische Tuner, allen voran der große Carlo Abarth, veranlasste, dem 500er Sporen zu machen und nach allen Regeln der Kunst zu frisieren, wie man es damals noch nannte. Zum Ende der Bauzeit wurde der Hubraum von 500 auf 600 cm³ vergrößert. Die Leistung blieb mit 18 PS aber gleich, um den Unterschied zum ebenfalls 1972 erschienen Fiat 126 zu wahren.

Aber auch die Außenhaut des kleinsten Fiats blieb nicht unangetastet. So gab es im Laufe seiner 18-jährigen Produktionszeit nicht weniger als 50 verschiedene Karosserievarianten, von denen einige aber nur in einer Handvoll Exemplaren gebaut wurden. Neben verschiedenen Coupés von Karosseriebauern mit so klangvollen Namen wie Vignale und Zagato, waren es aber vor allem Cabriolets, die die Fantasie der kreativen Blechbearbeiter beflügelte.

Fiat 500 N (1958)Hervorzuheben ist die von Fiat selbst auf die Räder gestellte Kombiversion, die trotz einer Länge von weniger als 3,20m zwei Kofferräume bot, einen ganz kleinen vorn und einen umso größeren hinten. Geradezu genial war die Unterbringung des Motors gelöst. Ferraris früherer Motorenkonstrukteur Lampredi, der zuvor für die großen Zwölfzylinder zuständig war, hatte es fertig gebracht, den normalen „stehenden“ Zweizylinder des Fiat 500 zu kippen und so zu einem liegenden Unterflurmotor zu machen, der eine Ladekantenhöhe von 60 cm ermöglichte. So nimmt der Motor des Fiat 500 „Giardiniera“, wie er in seinem Heimatland genannt wurde, kaum mehr Platz ein als das Reserverad moderner Kombis im Kofferraum unter der Ladefläche.

Heute kümmert sich weltweit eine rührige Fangemeinde um die Erhaltung und Restauration der noch erhaltenen „Elefantenrollschuhe“, „Knutschkugeln“ und mit welchen Kosenamen der wohl größte Kleinwagen, der jemals gebaut wurde, sonst noch tituliert wird. Gerade das Medium Internet hat auch hier zu einem den Globus umspannenden Erfahrungsaustausch geführt, so dass der Fünfhunderter so schnell nicht in Vergessenheit geraten wird.

Fahrwerk

Begrenzung des Ausfederweges an einem Renn-Fiat 50o

Vorderradaufhängung mit Stabilisator und Zahnstangenlenkung. Die Blattfeder hat sog. „umgedrehte Augen“. Durch die nach oben gekröpfte Aufhängung der Blattfeder für den Achsschenkel ergibt sich eine Tieferlegung. Die Vorderachse ist mit Scheibenbremsen ausgestattet.

Halter an der Blattfeder gegen Verschieben in Querrichtung bei großen Querkräften

Motor

Motortuning ist wohl das am Stammtisch am heißesten diskutierte Thema. Da kennen sich viele andere deutlich besser aus als ich…

Autobianchi Bianchina

Die Bianchina-Modelle wurden bereits parallel zu den 500er-Modellen bzw. mit deren Markteinführung entwickelt. Während man die Technik unberührt ließ, wurde die Karosserie weitgehend verändert. Die Optik hat mit der des 500ers praktisch nichts mehr zu tun. Man orientierte sich vielmehr an der aufkommenden Trapezlinie, die man auch beim Peugeot 404 findet. Vorn sind die Kotflügel ausladender als beim 500er. Die Scheinwerfer sind nicht ins Frontblech, sondern in die Kotflügel integriert, die Kofferraumhaube liegt zwischen den Kotflügeln. Hinten mündet die Karosserie links und rechts in kleinen Heckflossen.

Zu unterscheiden sind 4 verschiedene Modelle:

– Die gemeinhin als „Coupé“ bezeichnet Cabrio-Limousine mit Selbstmördertüren und feststehenden Dachholmen

Diese Modell wurde bereits 1958 auf den Markt gebracht. Die ganz frühen Modelle sind unter dem Blechkleid mit dem frühen Fiat 500 N identisch. Die diversen Änderungen, die man am N vollzog, sind auch in die Bianchina-Serie eingeflossen.

– Das Cabriolet mit voll versenkbarem Verdeck

Das Cabriolet unterschied sich auf den ersten Blick durch wesentlich mehr Zierrat. Sowohl vorn als auch hinten findet man um die Ecken greifende Stoßstangenhörner aus Zinkdruckguss mit weißen Gummiauflagen. An die hinteren Stoßstangenhörner schließen sich seitliche Endstücke an. Am Frontblech ist ein schnurrbartförmiges Zierteil angebracht. Auffällig sind auch die Seitenblinker mit je zwei rautenförmigen Gläsern, die in den seitlichen entweder weiß oder schwarz lackierten und mit Aluminiumleisten begrenzten Seitenstreifen integriert sind. Die Rückleuchtensockel sind voluminöser und haben ein kleines „Dach“ oben über den Leuchtenkappen.

– Der Viersitzer „Quattroposti“

Der Quattroposti ist die Limousinenausführung der Bianchina mit steil abfallender Heckscheibe. Neben einer normalen Version gab es auch den „Speciale“ mit dem Motor aus dem Fiat 500 Sport (Motornummer 110 004) und dem Zierrat des Cabriolets.

– Die Kombiversion Panorama

Der Bianchina-Kombi basiert im Gegensatz zu den übrigen drei Modellen auf dem 500er Giardiniera. Die Kombiversion konnte man sowohl mit als auch ohne Faltdach bekommen. Die Faltdachmodelle waren auch meistens zweifarbig lackiert. Obwohl das Blechkleid praktisch keine Gemeinsamkeiten mit dem 500er hat, passt doch ein Blechteil in beide Kombi-Modelle: Die Hecktraverse.

Auf dem Fahrgestell des Panorama gab es auch einen Kastenwagen mit voluminösem Aufbau.

Moretti

In 2008 tauchte im italienischen Ebay-Ableger ein Fahrzeug auf, von dem man kaum annehmen konnte, dass es tatsächlich existierte. Ein Fiat 500 Giardiniera von Moretti zum Fahrzeug mit Frontantrieb und Frontmotor umgebaut. Bei genauem Hinsehen erkennt man die Hecktraverse, die nun als Frontabschluss fungiert. Für das Heck gab es offenbar verschiedene Ausfünrungsvarianten. Aus Prospekten ist eine Version bekannt, die über eine durchgehende Öffnung von der Heckklappe bis zum vorderen Scheibenrahmen verfügt. Die abgebildete Version scheint einen festen Abschluss über der Heckklappe und lediglich ein kleines Faltdach zu besitzen.

(Fotos mit freundlicher Genehmigung des Ebay-Anbieters).

Lombardi MyCar

Das Modell „MyCar“ von Lombardi ist einer der Sonderumbauten, die man heute am häufigsten findet. Die Verändernungen sind sehr moderat und beschränken sich auf ein anders gestaltes Frontblech mit einer kantigen Sicke und angedeuteten Scheinwerferhöhlen, wie man sie von zeitgenössischen Pininfarina-Entwürfen kennt. Einige Modelle haben hintere Ausstellfenster, außerdem gibt es Fahrzeuge mit und ohne Faltdach. Gemein ist allen MyCar-Modellen das mit schwarzem Kräusellack lackierte Kunststoff-Armaturenbrett mit größerem Tacho, Ablagefächern und „MyCar“-Schriftzug, das über das Blecharmaturenbrett gestülpt ist.

Vignale Gamine

Das Auto aus dem Versandhauskatalog. Das ist wohl die Info, die zumindest hierzulande am ehesten mit „der“ Gamine assoziiert wird. Die Gamine ist ja eigentlich falsch, heißt es doch soviel wie „Göre“ oder „Straßenjunge“, wäre also eher ein Kerl, dieses kleine Micky-Maus-Auto.

Die Legenden ranken sich um die Stückzahl des etwa 1968/69 gebauten Sondermodells, das die Retrowelle des 21. Jahrhunderts über 30 Jahre vorwegnahm und einen Oldtimer der 30er Jahre imitieren wollte. Die teilweise kolportierten 50 Stück sind sicherlich zu wenig. Mit ein paar hundert liegt man wohl richtig. Die Technik ist komplett mit dem „F“ identisch, wenn man mal von der mit einer Hardy-Scheibe nach unten gekröpften Lenkwelle absieht. Um das Reserverad unter der vorderen Haube unterbringen zu können, ist der Tank vorn eingebeult. Das sieht aus, als ob jemand mit dem großen Gummihammer zugeschlagen hätte. Das Verdeck wurde mit dem „Handtuchhalter“ hinter den Sitzen aufgespannt. Es gab sogar Steckscheiben für die Türen, die geknöpft oder mit Reißverschlüssen am Verdeck befestigt wurden. Optional gab es ab Werk als Zubehör ein Zweispeichen-Lederlenkrad.

Die Anfänge

Eigentlich brauchte den Fiat 500 anfangs gar keiner. Oder? Der Fiat 600 war 1955 bei der Käufergunst außerordentlich gut angekommen. Im Handumdrehen war er als Ersatz für den ersten Volkswagen Italiens, den Topolino, von der sich motorisierenden Bevölkerung angenommen worden. Der Topolino, der nominell auch schon ein Fiat 500 war, hatte mit seinem Nachfolger quasi nichts, bis auf ein paar Kleinteile, gemeinsam. Der Motor war nun hinten, wie es sich für damals moderne Konstruktionen gehörte, weil man sich dadurch nicht nur eine bessere Raumnutzung versprach, sondern diese auch tatsächlich gegenüber dem der Vorkriegskonstruktion verwirklichen konnte. Endlich hatte man einen richtigen Viersitzer. Und genau das war der springende Punkt. Dadurch hatte man nun die Möglichkeit, unter dem Fiat 600 ein neues, kleineres Modell anzubieten, das auf der Erfolgswelle der Rollermobile mitschwimmen konnte. Schließlich war man ein Weltkonzern, der sich nicht einfach die Butter vom Brot nehmen ließ, und auch an diesem Marktsegment partizipieren wollte.

Glücklicherweise saßen in den Konstruktionsabteilungen bei Fiat aber nicht irgendwelche Fantasten und Tüftler, sondern Ingenieure, die ihre Berufsbezeichnung verdient hatten. Allen voran der Ingenere Dante Giacosa, der als junger Ingenieur schon die Entwicklung des Topolino maßgeblich vorangetrieben hatte. So war nicht nur garantiert, dass man kein Provisorium auf vielleicht nur drei Räder stellte, sondern ein richtiges Auto, das seine Räder da hatte, wo sie hingehören. Aber nicht nur das. Denn man war sogar in der Lage, das Auto zu einem akzeptablen Preis am Markt zu platzieren. Ein Problem, das viele andere vielversprechende Konstruktionen an der weiteren Verbreitung hinderte.

Aber dennoch. Der Unterschied zum Fiat 600 war nicht all zu groß. Konzeptionell und auch optisch sehr ähnlich, entschieden sich viele, mit denen es das Wirtschaftswunder gut gemeint hatte, lieber gleich für den 600er. Für viele andere war der Sprung von der Vespa zu ersten überdachten Fortbewegungsmöglichkeit dann doch wieder zu groß und finanziell einfach nicht machbar. Es drängt sich die Frage auf: Wer brauchte den 500er denn nun?