Fiat 500 Giardiniera

Giardiniera – Gärtnerin. So nennen die Italiener die Kombivariante des Fiat 500. Oder auch „Giardinetta“. Hierzulande lautete die offizielle Bezeichnung „Familiare“. Und tatsächlich war der Kombi das bei weitem familientauglichere Modell. Den Fond-Insassen kommt der um 10 cm verlängerte Radstand zugute. Die Verlängerung kann man am Fahrzeugboden an einem vor den Vordersitzen eingeschweißten Blechstreifen erkennen. Dadurch wandert die Mulde für die Füße der Fondpassagiere nach hinten. Außerdem war das Heck verlängert worden. Den die Gärtnerin hat ein Happy-End: Hinter einer seitlich angeschlagenen Tür wie bei einem Kühlschrank öffnet sich ein für diese Fahrzeugklasse geradezu riesige Kofferraum, der sich durch Umklappen der Rückenlehne noch vergrößern lässt. Durch das große Faltdach ist auch der Laderraum nach oben quasi unbegrenzt.

Das genaue Erscheinungsjahr ist umstritten. Meist liest man 1960 oder 1961, mit Erscheinen des D. Wie dann die in der Szene bekannten Fahrzeuge, die auf dem letzten N-Modell basieren, entstanden sein sollen und eines sogar 1959 erstzugelassen wurde, lässt sich nicht erklären. Es darf daher wohl als sicher gelten, dass der Kombi kurz nach Erscheinen des Fiat 500 in die Entwicklungsphase ging und 1959 in Produktion ging, als der N die später vom D bekannte Optik erhielt. Kombis mit den typischen Schlitzen vom N im Frontblech sind nicht bekannt. Der flache Tank, Bremsflüssigkeitsbehälter aus Blech und rechts sowie die alten Ausstellfenster ohne eigene Rahmen und ein Armaturenbrett ohne Aschenbecher nebst nicht selbsttätig zurückstellendem Scheibenwischer sind eindeutig Merkmale des N, die mit dem D wegfielen (wobei Ausnahmen die Regel bestätigen, wie z. B. ein D ohne Aschenbecher beweist).

In den Folgejahren flossen in die Kombiversion die gleichen Änderungen ein wie in die Limousinen, solange nicht Motor oder das Heck betroffenen waren. Zunächst hatte der Kombi also im vorderen Kofferraum z. B. den kompakten Tank des D und später den breiten, rollenförmigen Tank des F. Auch die Änderungen an Pedalerie und Farbe des Lenkrades bzw. Tachos beim R von grau nach schwarz finden sich bei den Kombimodellen der gleichen Baujahre wieder. Der Kombi wurde sogar ein bis zwei Jahre länger gebaut als der normale 500er. In Deutschland nahm man ihn aber schon 1965 aus dem Programm. Es lohnte sich für die kleinen Stückzahlen auf den Exportmärkten mit dem Verbot von Selbstmördertüren in der Zeit nicht, die Konstruktion zu ändern. Da die Bianchina-Version schon von Anfang an vorn angeschlagene Türen besaß, bot man sie Kaufinteressenten als Alternative an.

1968 wurde die Produktion des Fiat 500 Kombi an Autobianchi nach Mailand abgegeben. So musste man nun zwischen den Modellen Autobianchi Panoramica (Fiat 500 Optik) und Autobianchi Bianchina Panorama (Bianchina-Optik) unterscheiden. An der Technik tat sich nichts, lediglich an der Front weist seitdem ein anderes Frontemblem und ein Schritzug auf den Hersteller Autobianchi hin. Später entfiel der Schriftzug und stattdessen wurde ein stilisiertes „A“ in der Mitte der Front angebracht, das Ähnlichkeit mit dem früheren Zeichen des deutschen Arbeitsamtes hatte. Am Heck hatte der Fiat 500 Kombi ab Werk nie ein Emblem oder einen Schriftzug, so dass insbesondere heute viele Autofahrer rätseln, was sie da vor sich haben. Schon einige Kombi-Eigner wurden gefragt, ob sie das Auto denn selbst umgebaut hätten.

Änderungen der Karosserie, die nicht auf eine Modernisierung der Limousine zurückzuführen waren, wie z. B. Vereinfachung der Dachverriegelung von zwei auf einen Riegel oder verstärkte Achsaufnahmen vorn, hielten sich in überschaubaren Grenzen. Sie findet man ausnahmslos oberhalb der Fensterlinie. Die späten Modelle, die auch keine Schiebefenster, sondern Ausstellfenster haben, besitzen am oberen Ende der B-Säule außen ein eingeprägtes, abgerundetes Dreieck mit einer Tiefe von ca. 2 mm. Außerdem ist der Ansatz des Daches außen an der A-Säule anders geformt. Dort liegt bei den späten Modellen die äußere Dachhülle glatt auf, während die von oben kommenden A-Säulenstummel zuvor einen Wulst als Abschlusskante hatten. Innen besitzen diese Modelle hinter den Seitenscheiben angeformte Aufnahmen und vorn Schlitze für die Beschläge der Ausstellfenster. Die parallel zum R gebauten Kombis haben auch die erhabene Prägung im Kofferraumboden für die Pedalerie mit Bremslichtschalter.

Neben dem Kombi gab es noch eine Lieferwagenvariante „Furgoncino“ mit geschlossenen hinteren Seitenscheiben und ohne Faltdach. In die Seitenscheiben waren passgenaue Bleche eingesetzt, und auf das Dach war von Regenrinne zu Regenrinne ein Blech aufgelegt worden. Darauf, dass diese Konstruktion sehr rostanfällig war, kam es offensichtlich nicht an. Im Innenraum findet man statt der Rückbank eine Blechkonsole, die einen insgesamt ebenen Laderraum bietet. An den Gurtaufnahmepunkten war hinter den Vordersitzen eine Gitterkonstruktion zur Ladungssicherung angebracht Karosseriebaufirmen wie Ghia oder die mehr durch Leistungssteigerungen bekannte Firma Giannini bauten auch Pick-ups in geringer Stückzahl. Die Bianchina-Variante wurde auch mit einem großvolumigen Kastenaufbau angeboten.

Das Pfiffigste am Fiat 500 Kombi ist zweifellos der Motor. Man muss wirklich sehr lange suchen, bis man einen Motor mit geringerer Bauhöhe findet, der einen Pkw antreibt. Um die geringe Bauhöhe zu erreichen, waren einige Klimmzüge erforderlich. Meistens liest man (so auch hier im einleitenden Text), dass der Limousinen-Motor auf die Seite gekippt wurde. Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Denn jedem, der ein bisschen technisches Verständnis von Motoren hat, ist klar, dass man einen Motor nicht einfach auf die Seite legen kann und er dann noch genauso läuft wie vorher.

Die Konstruktionsänderungen hat Aurelio Lampredi vorgenommen, der vorher bei Ferrari in der Motorenentwicklung tätig war. Mit der geänderten Lageanordnung waren die Öl- und Benzinversorgung, die Luftzufuhr, aber auch die Schwingungsrichtung des Motors zu ändern. Der Fiat 500-Motor ist ein Reihenzweizylinder mit parallel laufenden Kolben. Dadurch hat er ein äußerst unausgeglichenes Schwingungsverhalten. Die Kurbelwelle des Fiat 500-Motors hat ein großes Gegengewicht, das dafür sorgt, dass der Motor bei einer bestimmten Drehzahl auf- und abschwingt. Diese Schwingungen kann die Motorlagerung ausgleichen. Aufgrund von Erschütterung beim Fahren müssen Auf- und Abschwingungen abgefedert werden. In Querrichtung treten im Fahrbetrieb weit weniger Belastungen beim Fahren auf. Also besitzt auch der Kombi eine Motoraufhängung, die dafür ausgelegt ist, vertikale Schwingungen aufzunehmen. Eine ähnliche Konstruktion findet man später beim „R“ und dann beim 126er.

Damit der Kombimotor ebenfalls hauptsächlich vertikal schwingt, wurde die Wuchtung des Motors verändert. Das Gegengewicht der Kurbelwelle konnte man praktisch nicht vergrößern. Darum wurde an der Keilriemenscheibe ein weiteres Gegengewicht angebracht, und drei große Löcher in der Schwungscheibe, 180° zu den Gegengewichten versetzt angeordnetet, bewirken eine weitere gewollte Unwucht. Hierauf muss man auch beim Zusammenbau des Motors achten, dass die Schwungscheibe richtig ausgerichtet ist, weil konstruktiv keine „Idiotensicherung“ vorgesehen ist. Ansonsten sind Kolben, Pleuel und Kurbelwelle mit dem Limousinenmotor identisch. Die Zylinder sind stärker und ausladender verrippt.

Der Vergaser ist vom Fallstrom- zum Querstromtyp geändert worden. Die Ölversorgung musste insbesondere für die Ansaugung geändert werden, da sich der Ölsumpf unten im Block sammelt und nicht mehr in einer Ölwanne. Die Ölpumpe befindet sich an der tiefsten Stelle des Motors und wird nicht wie beim Limousinenmotor von der Nockenwelle, sondern vom Verteiler angetrieben. Die Verteilerwelle ist unten hohl und verzahnt. Darin steckt die Antriebswelle der Ölpumpe.

Auch die Kühlluftführung ist geändert. Die Luft wird durch die C-Säulen und die Hecktraverse von hinten angesaugt und dann durch ein Ventilatorrad nach vorn geblasen. Dabei wird die Luft nach rechts umgelenkt, streicht über den Motorblock und dann durch Zylinderkopf und Zylinder nach unten. Daraus folgt, dass auch die Lichtmaschine geändert wurde. Sie besitzt nur noch ein herausstehendes Wellenende, auf dem sowohl Keilriemenscheibe als auch das aus Aluminium gegossene Lüfterrad sitzen.

Schön für heutige Veränderungen ist, dass man das Getriebe des Fiat 126 Bis direkt an den Kombimotor anflanschen kann. Darin zeigt sich, dass der Kombimotor in der wassergekühlten Variante des 126er eine Art Wiederauferstehung erlebte. Selbstverständlich fahren heute auch einige Kombis mit dem sog. „Wasserpanscher“-Motor herum. Der Kombimotor gilt insgesamt als nicht so standfest wie der Limousinenmotor. Bekannt sind Probleme mit sich lösenden Ventilsitzringen, die man beim „normalen“ Motor praktisch nicht kennt. Auch hat der Kombi wesentlich schneller mit Öldruckproblemen zu kämpfen. Die Kühlung ist schwieriger, weil der Motor doch rundherum ziemlich eingezwängt in seinem kleinen Motorräumchen sitzt. Zur Verbesserung der Kühlung ist ab Werk bereits die Lichtmaschine durch eine kleinere Riemenscheibe größer übersetzt als bei der Limousine. Auch von Kolbenfressern und Lagerschäden wird öfter als beim Limousinenmotor berichtet.